Bettina Krieg - Friends of Friends / Freunde von Freunden (FvF)

Bettina Krieg

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An einem verregneten Tag in einem Hinterhof in Berlin-Kreuzberg. Die Kunst und Kreativität, die sich im Inneren befindet, lässt sich am Eingang kaum erahnen. Besucht man Künstler in ihren Ateliers, kann man nie genau vorhersagen, was oder wer einen erwartet, welche Person sich hinter der Kunst verbirgt. Ähnlich war es auch bei Bettina Krieg. Unsere Erwartungen wurden jedoch in jeder Hinsicht übertroffen.
Das Atelier kleiner als erwartet, jedoch gefüllt mit wahren Prachtstücken und einer Person, die ihr Handwerk versteht und keine Klischees und Vorurteile bedient.
Gut gebräunt, mit einem entspannten Lachen im Gesicht, tritt sie uns im Interview offenherzig gegenüber und erzählt von ihren zahlreichen Reisen und Stationen, die sie bereits in ihrem jungen künstlerischen Stadium durchlaufen hat. Zugleich liefert sie Einblicke in ihre filigrane Zeichentechnik und die Grundidee ihrer Arbeit. Ein Gespräch auf sympathisch beeindruckender Augenhöhe.

Woher kommst Du ursprünglich?
Ich komme aus Unterfranken, aus einem kleinen Dorf im Main Spessart, da bin ich aufgewachsen. Nach meinem Abschluss der mittlere Reife bin ich im Alter von 16 Jahren nach Würzburg gezogen und habe dort ein Jahr lang in der Freien Alten- und Krankenhilfe gearbeitet. Ich wollte unbedingt nach Frankreich, und da ich noch nicht volljährig war, musste ich mich durch Nebenjobs in verschiedenen Bars in Würzburg über Wasser halten. Mit 18 Jahren bin ich dann für ein Jahr und vier Monate nach Paris gezogen und dann, nach einem kurzen Zwischenstopp in der Heimat, schließlich nach Berlin.

Hast Du das Interesse an der Kunst früh erkannt?
Mir war sehr früh klar, dass ich etwas im kreativen Bereich machen möchte.
Dass ich Bildende Kunst studieren würde, kristallisierte sich erst während meines Aufenthaltes in Paris heraus. Erstmal wollte ich unbedingt nach Frankreich.

Paris war Dein großes Ziel?
Genau. Dort hatte ich viel Zeit mich mit Kunst zu beschäftigen, die Sprache zu lernen, Museen zu besuchen und in Cafés zu sitzen und einfach nur zu zeichnen. Da konnte ich mich wirklich auf mich und die Kunst konzentrieren.

Aus einem ganz bestimmten Grund Paris?
Gar nicht mal wirklich Paris. Frankreich, die Sprache und die Menschen – das alles kennenzulernen war mein Kindheitstraum seit ich sieben Jahre alt war.

Wie ging es dann im Lebenslauf weiter?
Ich bin danach nach Berlin und habe mich hier an der Universität der Künste beworben. Über einen Erasmus-Austausch der Uni habe ich 2004 ein halbes Jahr in Marseille an der École Superieure des Beaux Arts studiert. Mit einem Arbeitsstipendium der Stiftung Schweizer Cumpana konnte ich 2005 für einen Monat nach Bukarest gehen. 2007 war ich dann mit dem Nica-Austauschprogramm für sieben Monate in Australien.

In Australien hast Du dann auch Dein künstlerisches Spektrum erweitert?
Das könnte man so sagen. Es ist so, dass Canberra eine ziemlich unattraktive Stadt im australischen Inland ist. Ich hatte allerdings eine tolle Zeit da. Die Stadt hat für mich, abgesehen von der Natur, nicht viel Spannendes zu bieten gehabt und deshalb konnte ich sehr produktiv sein. Bei blauem Himmel und Papageien im Garten am Rande der Stadt zu zeichnen hat schon seine Vorteile. Generell habe ich das Gefühl im Ausland mehr Ruhe zu finden.

Hatte sich zu der Zeit bereits ein bestimmter Stil herausgebildet?
Die Basis meines Stils hat sich vermutlich während des Studiums entwickelt. Den Entschluss, mich fast ausschließlich der Zeichnung zu widmen, habe ich im zweiten Semester gefasst.

Anfang des Jahres hast Du einen Monat in Los Angeles verbracht. Wie kam es dazu?
Durch ein Gaststipendium der Villa Aurora.

Wie würdest Du deine Technik beschreiben?
Ich arbeite ausgehend von einem Bilderarchiv von Fotografien, das ich über die Jahre gesammelt habe. Ich habe eigentlich immer und überall meine Kamera dabei und halte Ideen und interessante Motive fest. Die Elemente für die jeweiligen Arbeiten suche ich dann intuitiv aus. Teilweise besteht das Archiv aus eigenen Zeichnungen von mir, von denen ich immer wieder einzelne Fragmente übernehme und diese dann in meine Zeichnungen einbringe. Wenn ich an eine Arbeit herangehe, hab ich bereits eine Grundidee für die Energienverteilung innerhalb der Arbeit. Ob zart oder aggressiv, leicht oder schwer. Der Rest passiert im Arbeitsprozess. Alles setzt sich nach und nach fragmentarisch zusammen. Wie ein lebender Organismus.

Hat Deine Kunst eine konkrete Aussage?
Ich sehe jede einzelne meiner Arbeiten als eigenständiges Werk, aber auch als Teil des Gesamtwerkes. Die Arbeiten bauen teilweise auch aufeinander auf und kommunizieren miteinander.

Vielleicht meinte ich doch eher den allgemeinen Hintergrund deiner Arbeiten.
Meine Bilder erzählen keine Geschichten. Sie stellen nichts dar, sondern sind selbst Bewegung und Wandlung. Ich will den Betrachter mit meiner Arbeit berühren und emotionalisieren. Er soll quasi involviert werden und sich auf seine eigene Intuition verlassen, sich in ihnen zurecht finden. Ein Spiel mit einer absichtlichen Mehrdeutigkeit, welches von der Stimmung und dem Interpretationsvermögen des Betrachters abhängig ist. Die Arbeiten sollen in ständiger Bewegung bleiben und immer wieder neue Wirkungen und Eindrücke entfalten. Wie poetische Rätsel, die die Phantasie anregen und den Betrachter im Innersten treffen sollen. Meine Zeichnungen sind nie zu Ende gedacht.

Wieviel Zeit benötigst Du für eine Arbeit?
Durchschnittlich zweieinhalb Monate, normalerweise. In der letzten Zeit ging es etwas schneller, da ich nach meiner Zeit in Los Angeles einen Monat im Künstlerhaus Lukas in Ahrenshoop verbracht habe, wo ich mich sehr gut auf meine Arbeit konzentrieren konnte. Da fand ich dann einen halben Meter Puderschnee, Meer und Stille. Nach dem Frühstück arbeiten, mittags dann ein Spaziergang am verschneiten Strand, danach wieder Arbeit. Da schafft man eine ganze Menge.

Deine Arbeiten sind nicht unbedingt farbenfroh.
Es gibt ein paar Arbeiten mit Farbe, allerdings durchaus sehr wenige. Bei meiner ersten Einzelausstellung, in der Galerie Spesshardt & Klein, war die Ausstellung fast ausschließlich Rot in Rot. Jedoch arbeite ich momentan größtenteils in schwarz-weiss.
Ich interessiere mich mehr für die Struktur, den Strich, die Gegensätze von Schwarz und Weiß. Die Zeichnung ist für mich der direkteste Weg mich auszudrücken. Der Strich ist eine sichtbare Aktion. Ganz egal wie leicht, fein, hart oder unsicher er auch sein mag, er verweist immer auf eine Kraft. Der Strich ist eine Spur.

Wie und wo sammelst Du neue Ideen?
Meine Inspirationen sammle ich im täglichen Leben. Reisen spielen für mich eine wichtige Rolle, weil man sich immer wieder neu ausrichten und anpassen muss.
Inspirationen passieren für mich immer, meistens nebenbei, bewusst und unbewusst.

Wohin ging Deine letzte Reise?
Ich war letztes Jahr in Japan, die schönste Reise, die ich je gemacht habe. Genauer genommen Tokyo, Miyazaki und Kyoto. Ich kam zurück und habe mich gefühlt, als wäre ich neu geboren.

Hast Du viel Kontakt zu anderen Künstlern?
Viele meiner Freunde sind Künstler. Ich freue mich aber über jede Abwechslung und habe auch Freunde aus anderen Bereichen. Es darf nicht zu eintönig werden. Spannend war der Austausch in der Villa Aurora in Los Angeles. Dort hatte ich unter anderem Kontakt mit drei Filmemachern, die ich auch manchmal in ihren kreativen Prozessen begleiten durfte. Diese “künstlerischen Übergriffe” waren sehr erfrischend.

Wo gab es da konkrete Parallelen?
Lustigerweise wurden die meisten Parallelen in den Krisen und der regelmäßigen Selbstkritik deutlich.

Was schätzt Du am Berliner Umfeld?
Ich bin definitiv wegen der Stadt nach Berlin gekommen, nicht wegen des Studiums. Ich liebe die Weite Berlins. Ich hab zuerst in Friedrichshain gelebt, dann in Wedding, kurz in Mitte und jetzt seit zwei Jahren in Kreuzberg. Mich zieht es zwischendurch immer in andere Städte der Welt, aber bis jetzt komme ich immer wieder gerne zurück. Der ständige Wandel und die Vielfalt dieser Stadt faszinieren mich.

Wie stehst Du zum kommerziellen Aspekt der Kunst?
Ich glaube es kommt stark darauf an, aus welchen Aspekten Sammler meine Kunst kaufen. Mir ist es wichtig zu wissen, dass der Mensch, der sich meine Kunst zulegt, die Relevanz dieser Arbeit sieht und sich damit wohlfühlt. Ich würde es nicht mögen, wenn meine Arbeiten irgendwo in einer Kammer abgestellt und nicht mehr angeschaut werden. Als ich einmal von einem Sammler in seine Privatwohnung zum Essen eingeladen wurde, sah ich zum ersten Mal eines meiner Bilder in einer fremden Wohnung. Das hat mich gerührt, mit Stolz erfüllt und zugleich ein wenig traurig gemacht.

Nächste Woche eröffnet Deine neue Ausstellung. Was dürfen wir erwarten?
Neu sind bei dieser Ausstellung vor allem die Scherenschnitte, wodurch die Zeichnungen einen gewissen Objektcharakter bekommen. Man darf gespannt sein.

Immer wieder erfrischend zu wissen, dass es viele talentierte Künstler mit einer gesunden Einstellung zum Leben gibt.
Wer sich zur Zeit in Berlin befindet, hat an diesem Samstag, den 27.03.2010, die Möglichkeit, Bettina Krieg persönlich zu treffen. Dann nämich eröffnet sie ihre neue Ausstellung LA MACHINE À REMONTER LE TEMPS ab 19 Uhr bei Cream Contemporary. Wir freuen uns drauf.

Gespräch: Tim Seifert
Text: Jeanette Hepp, Pelén Boramir
Fotografie: Ailine Liefeld

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