Tatjana Sprick - Friends of Friends / Freunde von Freunden (FvF)

Tatjana Sprick

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Tatjana Sprick war viel in der Welt unterwegs und hat nun in Berlin-Schöneberg ihr Zuhause gefunden. Hier lebt sie mit ihrem langjährigen Freund und Lebensgefährten Nicola Maria Bramante. Er Italiener, sie Deutsche, treffen und verstehen sich beide auf einer Ebene, die man als sinnlich und eingespielt beschreiben kann. Sprachbarrieren gibt es keine, Tatjana spicht fließend Italienisch und hat lange Jahre in Rom verbracht.

Während sie von ihren letzten Reisen und aktuellen Projekten erzählt, bereitet Nicola frischen Kaffee zu und ein kleines Frühstück vor.

Tajana ist eine Weltbürgerin, obwohl sie diesen Ausdruck nicht sehr mag. Sie spricht vier Sprachen fließend und war in vielen Städten Europas, den USA, Afrika und Lateinamerika beruflich und privat unterwegs. Sie ist eine Reisende, deren Koffer momentan in Berlin steht.

Die Einrichtung der Wohnung kombiniert Moderne und Klassik, Erinnerungen von Aktionen bei der Art Basel in Miami und Holzkommoden aus den 70ern, die Tatjana in kleinen Berliner Einrichtungsläden und auf Flohmärkten entdeckt hat.

Wie man von der Mode und Maßschneiderei in Paris, über Stationen wie München und New York, zum Kostümbild im Film kommt und sich auf einmal bei einem Filmprojekt in der Wüste Marokkos wiederfindet, erzählt uns Tatjana in einem Gespräch, das mit Sicherheit einen ganzen Tag hätte in Anspruch nehmen können.

Deine Lebensgeschichte ist sehr interessant und abwechslungsreich. Kannst du uns eine Kurzversion davon wiedergeben?
Ich komme ursprünglich aus Düsseldorf. Mit zwölf Jahren habe ich meinen Eltern verkündet, dass ich jetzt nach Amerika ziehen werde. Ich habe schon sehr früh den Drang dazu gehabt, woanders hinzugehen.
Meine erste Station und die, wo ich bereits immer hinwollte damals, war Paris. Mit einem Stipendium kam ich zu Jean Louis Scherrer für ein Praktikum. Nach zwei Jahren Arbeit in der Haute Couture, wollte ich weg aus Paris und zog nach Mexiko, um Spanisch zu lernen und ein Atelier zu eröffnen. Dort war es viel verbreiteter sich Sachen schneidern zu lassen, als das hier der Fall ist.

Was wurde aus dem Atelier?
Na ja, im Endeffekt bin ich sechs Monate lang kreuz und quer durch das Land gereist und gearbeitet habe ich genau genommen gar nicht.
Dafür habe ich aber meinen Mann kennengelernt, der bis dato bereits seit sechs Jahren dort lebte. Wir sind gemeinsam zurückgegangen nach Europa, da er seinen M.B.A. in Paris machen wollte. Neben meiner Maßschneiderei, habe ich angefangen in einem Showroom zu arbeiten.


Wie ging es weiter?

Nach zwei Jahren sind wir nach München umgezogen, weil mein Mann bei der Kirch-Gruppe zu arbeiten begann. Allerdings waren wir nur kurze Zeit in Bayern. Von dort aus ging es schließlich nach New York, wo wir 1,5 Jahre lang lebten. Allerdings habe ich keine Arbeitserlaubnis bekommen und ich bin kein Mensch, der einfach nur zu Hause rumsitzen kann. Nachdem ich jedoch ein Jahr lang einem Kostümbilder beim Film ständig meinen Lebenslauf schickte, hatte er Erbarmen. So ging ich dann für die Verfilmung des Alten Testaments nach Marokko. Dort habe ich sozusagen meine erste Film-Erfahrung gemacht. Um mich herum nur erfahrene Filmleute und ich ein absoluter Neuling.

Was passierte nach Marokko?
Während des Drehs habe ich Titus Vossberg kennengelernt, der mir erst mal attestierte, dass alles was ich mache, falsch sei. Er selbst ist Ausstatter und hat mir überraschenderweise angeboten, bei ihm zu lernen. Ab dem nächsten Film habe ich dann in der Ausstattung gearbeitet und wirklich alles gelernt. Acht bis neun Monate im Jahre habe ich ab diesem Zeitpunkt, das war 1994, fünf Jahre lang für Titus Vossberg gearbeitet. In der Zwischenzeit bin ich von New York auch nach Rom umgezogen, habe jedoch in Mailand für Costume National gearbeitet, um meinen Showroom weiter zu betreiben. Meinen letzten Film habe ich 2000 gedreht.
Als mein Vater schwer erkrankte, wusste ich erst nicht, wie es für mich weitergehen sollte, denn ich wollte in seiner Nähe sein. Ich bin schließlich vier Jahre ohne Wohnung gewesen, hab hier und da gewohnt, bin bei Freunden untergekommen, habe mal etwas untergemietet und war natürlich viel bei meinen Eltern.


Was haben dich die Reisen gelehrt?

Das waren wirklich alles interessante Erfahrungen. Man stellt zum Beispiel fest, dass man zum Leben eigentlich gar nichts braucht. Man denkt nur, man bräuchte all seine Bücher oder irgendwelche Souvernirs.
Auch habe ich gelernt, mein Leben völlig durchzuorganisieren. Ich muss immer genau wissen, wo etwas ist etc. Genauso wie die ganzen administrativen Sachen, die ständig zu klären sind. Papiere, Krankenversicherung, Banken, wo bin ich gemeldet; das endet oft in totalem Chaos.


Hattest du je Probleme, dich irgendwo zurecht zu finden?

Überhaupt nicht. Dort, wo ich meinen Koffer abstelle, bin ich zu Hause. Da hat sich bis heute wenig geändert und das obwohl ich mittlerweile eine eigene Wohnung habe.
Wenn man viel reist, lernt man natürlich auch diverse Menschen kennen, sodass man eben häufig in den Orten bereits jemanden kennt. Egal, wo ich hingehe, ich versuche mich auch immer mit meinen Bekannten und Freunden vor Ort zu treffen. Ich gebe immer allen Bescheid, dass ich da bin.


Seit wann lebst du hier in deiner Berliner Wohnung?

Ich bin bereits seit drei Jahren hier. Damals direkt aus Paris gekommen. Für mich war es wichtig, endlich genug Platz zu haben, um all meine Sachen unterzubringen. Ich hatte sogar noch Dinge bei meiner Mutter und auch in Italien, die ich nun hier hergebracht habe. Außerdem kostet diese Wohnung ein Drittel von der in Paris.


Was machst du heute?

Hauptsächlich bin ich noch immer in der Mode als Beraterin tätig. Vor drei Jahren habe ich jedoch eine kleine Firma gegründet, die „Time to tease“ heißt. Die Firma beschäftigt sich mit „Luxury Sextoys“, die im Hotel verkauft werden. D.h., Hotels fungieren konkret als Zielgruppe. Online Shops gibt es zu genüge, ich jedoch wollte Menschen an Sexspielzeug ranführen, die normalerweise damit nichts zu tun haben.

Was bedeutet Erotik für dich?
Das ist auch schwierig, weil es wieder so ein abgenutztes Wort ist. Eigentlich hat Erotik nichts mit einer Peep-Show zu tun und dennoch wird es dafür gebraucht.
Erotik ist etwas sehr Persönliches. Für mich hat es etwas mit Entdecken zu tun. Sozusagen: Die kleine Einladung ist da und den Rest muss man selbst entdecken. Das ist es für mich.

Was war dein letztes Reiseziel?
Letzte Woche war ich geschäftlich in Mailand und davor war ich in der Nähe von Avignon, wo ich bereits seit 40 Jahren hinfahre. In ein sehr kleines Hotel mit 28 Zimmern. Dort habe ich auch immer ein Zu Hause-Gefühl. Wenn ich wirklich entspannen möchte, gehe ich eigentlich nicht sehr weit weg. Das empfinde ich eher als kontraproduktiv, weil die Reise an sich dann anstrengend ist. Mittlerweile miete ich auch lieber ein Haus, statt ins Hotel zu gehen. Denn dort ist man ja doch auch immer an Zeiten für das Essen etc. gebunden.

Wenn du in einer anderen Zeit leben könntest, welche wäre das?
Ich würde mich in die Zukunft versetzen lassen. Mich interessiert auch nur die Zukunft. Wie wird sich die Menschheit weiterentwickeln, schaffen wir es, Dinge zu verbessern oder wird alles so schlimm, wie es vorausgesagt wird.

Würdest du sagen, du kommst ursprünglich aus dem Modebereich?
Ja, Mode war mein Ursprung. Das ist auch der Bereich, in dem ich bis heute wohl die meiste Erfahrung habe. In der Mode habe ich alle möglichen Bereiche durchlebt; Design, Schneidern, arbeiten im Atelier oder als Hutmacherin, im Verkauf.
Man schult damit seinen Blick für Design im Allgemeinen. Man lernt, dass es nicht nur um gutes Aussehen geht, sondern auch um Funktionalität und Qualität.


Was liest du momentan?

Ich lese ein sehr tolles Buch. Allgemein lese ich viele Sachbücher und momentan „Destructive Emotion“. Das ist ein Buch vom Dalai Lama und Daniel Goleman. Dabei geht es um negative Gefühle, die jeder hat, aber die destruktiv sind. Das Buch ist sowohl wissenschaftlich, als auch philosophisch und sehr zu empfehlen.

Tatjana Sprick sprudelt, trotz der vielen Reisen, vor Energie, Tatendrang und Ideenreichtum. Im Gegenteil könnte man meinen, erst dadurch wirkt sie belebt und man merkt ihr an, wie glücklich sie in ihrer momentanen Position ist.

Sie ist eine Frau, die ihre Träume lebt. Für die Zukunft von „Time to tease“ wünscht sie sich eine Kooperation mit Designern oder Künstlern. Bisher hat alles, was sie wollte, gut geklappt, sodass auch dieser Wunsch sicher in Erfüllung gehen wird.

Tatjana Sprick beweist, dass es ihr heute nicht mehr darauf ankommt, einen bestimmten Ort für sich zu finden, wenn doch die ganze Welt ihr Zuhause sein kann.

Interview: Tim Seifert
Text: Deana Mrkaja
Fotografie: Ailine Liefeld

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