Mit 23 Jahren bereits Gründer einer Werbeagentur zu sein und Angestellte zu haben war zwar nicht geplant, aber das Leben spielt eben manchmal verrückt.
Nach vierzehn Jahren „Menschen mit Dingen zu nerven, die sie nicht brauchen“, musste eine neue Idee her.
Conrad Fritzsch ist nicht nur waschechter Urberliner, sondern auch Gründer von tape.tv. Nachdem MTV und VIVA abgedankt haben, erfindet er mit dem Konzept des personalisierten Entertainments, das Fernsehen neu. Hinter tape.tv stehen mittlerweile 30 kreative Köpfe, die sich täglich in Berlin Weißensee den Kopf darüber zerbrechen, wie man das Musikfernsehen noch weiter verbessern kann. Auch wie man lästige Werbeunterbrechungen vermeidet, wurde auf sehr elegante Weise gelöst.
Conrad Fritzsch kommt pünktlich auf die Minute mit seinem 80er Mercedes SLC angefahren, in der Hand den uns versprochenen Kuchen und führt uns in die siebte Etage seines außergewöhnlichen Wohnkomplexes, in dem sich seine Wohnung befindet. Unverputzte Wände, eine Badewanne mitten im Zimmer, offene Räume, die Wohnküche bestehend fast nur aus Glas; wir sind direkt am Helmholtzplatz und schauen aus beeindruckender Höhe über die Dächer Berlins.
Conrad erzählt uns Anekdoten aus seinem Leben im Osten, wie es zu der Gründung der Werbeagentur und tape.tv kam und warum er nicht nur ein Surfbrett, sondern auch ein Fahrrad an seiner Wand hängen hat.
Du bist in Berlin geboren, hast in Potsdam studiert. Wolltest du nie weg von hier?
Berlin ist sehr multikulturell, aber nicht so stark wie New York oder London. Ich habe jedoch sehr früh angefangen zu arbeiten. Das heißt, ich habe studiert und bereits mit 23 eine Werbeagentur gegründet. Ich bin zwar irgendwie dort reingerutscht, dennoch war ich von da an quasi selbstständig; mit 24 hatte ich schon drei Angestellte. Dank dem Turbo: Wende!
Aber es gibt eine Sache, worüber ich mich ärgere. Ich hätte mal ein Jahr ins Ausland gehen sollen. Es geht mir gar nicht um eine andere Stadt; in Deutschland kann ich mir sowieso nichts Anderes als Berlin vorstellen. Aber mal so ein Jahr in Asien, so wirklich tief einatmen in eine andere Kultur. Das würde mich interessieren. Mit der Expansion von tape.tv in verschiedene Länder, besteht eventuell die Chance mal länger in einer anderen Stadt zu arbeiten und zu leben.
Ich habe zwar schon wirklich viel von der Welt gesehen, aber das ist immer nur sehr oberflächlich. Genau genommen hatte ich in meinem Leben auch nie länger als drei Wochen am Stück Urlaub.
Sagen wir es so: Ich wollte schon immer aus Berlin weg, aber auch trotzdem hier wohnen bleiben!
Bei Dir zu Hause steht direkt am Eingang ein Surfbrett. Was bedeutet surfen für Dich?
In der sechsten Klasse habe ich mir mal ein Skateboard gewünscht von meiner Oma. Dann habe ich von Karstadt ein Calypso Board bekommen, ein Plastikboard mit roten Rädern. Das lustige war, ich bin immer verkehrt herum gefahren. Ich wusste ja nicht, wie man es richtig macht. Irgendwann, das war dann nach der Wiedervereinigung, meinte einer zu mir: Sag mal, was machst du da eigentlich? Erst da habe ich gelernt, dass man bei dem Board vorne stehen muss.
Im Osten konnte man zwar Windsurfen oder auch Brettsegeln genannt. 1997/98 bin ich dann aber mit einem Kumpel in die Karibik. Dort hat mich ein Surflehrer dazu gebracht, morgens um halb sechs mitzugehen, um zu surfen. Ich war einfach begeistert davon. Das Meer ist für mich sowieso unglaublich faszinierend. Ich setze mich da manchmal einfach hin und fang sogar an mit dem Meer zu reden und stell mir vor, dass das Meer überall auf der Welt ist. Mir gefällt es, dass man beim Surfen nicht nur etwas auf dem Meer, sondern mit diesem macht.
Leider war ich schon zwei Jahre nicht mehr surfen, wegen tape.tv. Davor stand ich aber jedes Jahr mindestens einmal auf dem Brett. Ein paar Mal war ich in Frankreich, dann auch in Spanien und Portugal.
Kannst du Berlin mit New York vergleichen?
Ein sehr guter Freund von mir hat 15 Jahre lang in New York gelebt und er sagte, in Berlin könne man sich so schön ausruhen. Hier sei es einfach so ruhig, verglichen zu New York. Dieser Druck dort ist schrecklich. Die Leute drücken dir schon beim Handschlag ihre Visitenkarte in die Hand und du musst immer an irgendwelchen äußerst wichtigen Projekten arbeiten; man definiert sich quasi nur über seinen Output und nicht über die inneren Werte. Das ist hier anders! Auch wenn die Berliner natürlich immer viel quatschen, aber im Endeffekt nichts machen und auch ziemliche Kotzbrocken sein können. Trotzdem bleibt Berlin einfach als Stadt geil zum Leben! Die Wohnung hier könnte ich mir doch niemals leisten in New York oder sonst wo.
Du hast Regie an der HFF in Potsdam studiert, jedoch schon mit 23 Jahren deine eigene Werbeagentur gegründet. Wie passt das zusammen?
Ich wollte eigentlich Tierarzt werden. Väterlicherseits sind bei mir alle Ärzte und mein Vater selbst ist auch Tierarzt. Leider habe ich aber eine Tierhaarallergie entwickelt. Was natürlich nicht gerade förderlich war. Ach ja, Koch wollte ich auch mal werden. Aber das hat ja im Osten alles nicht so einfach funktioniert.
Aus dem Studienführer der DDR, was übrigens ein relativ dünnes Heftchen war, sollte ich mir was aussuchen. Von den vierzig Seiten aus denen das Heft bestand, waren im Grunde genommen 38 für mich irrelevant: Metallbau, Fachverarbeitung… Das war ich nicht wirklich. Auf einer Doppelseite war dann: Schauspiel, Regie, Kameramann etc. Damals wusste ich nicht genau, ob ich lieber Regie oder Schauspiel machen sollte. Ich wollte auf jeden Fall etwas Künstlerisches tun. Zum einen kommt meine Mutter auch aus diesem Bereich, zum anderen war es eine Chance dem Osten zu entkommen. Als guter Regisseur oder Schauspieler konntest du also auch mal den Osten verlassen, ohne dass deine Eltern sofort verhaftet wurden. Ich habe sowohl die Schauspiel- als auch die Regieaufnahmeprüfung gemacht und auch beide bestanden. Der Schauspieldozent hat mir damals jedoch bei einem Bier geraten, lieber Regie zu machen, da die Chance damit was zu erreichen, größer seien.
Wie hats du dort die Wende erlebt?
Lothar Bisky war damals Direktor an der Schule und als ich begann zu studieren, kam direkt die Wende. Diese starke Veränderung, die wir damals erlebt haben, mit uns selbst, mit dem Staat, spielte in Babelsberg keine Rolle. Wir sind ins Studio gegangen und haben Schienenfahrten mit der Kamera geübt. Ich dachte mir nur: Leute, da draußen verändert sich gerade die Welt. Können wir das nicht einfließen lassen in unsere Arbeit? Und die meinten nur: Nein, wir üben hier jetzt das Handwerk.
Ich habe mir dann immer andere Jobs gesucht, beim Fernsehen zum Beispiel. Ich wollte alles begreifen, was in der Welt vor sich ging. Zu dem war ich auch der Jüngste in der Klasse mit 18; die anderen waren teilweise schon Ende 20. Irgendwann habe ich dann gemerkt, Regie in diesem Sinne, ist nichts für mich.
Was hat Dich dann in die Werbung getrieben?
Ich habe einfach angefangen sämtliche Firmen anzurufen und sie zu fragen, ob ich nicht einen Werbespot für sie drehen soll. 30 Sekunden lang eine Geschichte zu erzählen, fand ich spannend. Zusammen mit meinem Kumpel Alex Mackat haben wir dann bei Spreequelle angerufen und gefragt, ob wir nicht einen Spot für „Club Cola“ drehen sollen. Das ist die alte Ost-Cola. Die fanden unsere Idee so toll, dass sie sie tatsächlich produziert haben. Das war dann der erste Spot für ein Ostprodukt. Deshalb war das alles sofort in den Tagesthemen, wir hatten sogar eine Doppelseite im SPIEGEL.
Das war wirklich verrückt! Wir wurden überall hin eingeladen, plötzlich wurden wir zu den Ost-Verstehern.
Kurze Zeit darauf kam ein Typ von Berlin Cosmetics auf uns zu und fragte, ob wir ihn nicht „Full-Service“ betreuen könnten. Ein wirklich cooler Marketing-Typ, der „DuschDas“ zum Beispiel erfunden hat. Er sollte wohl irgendwelches Ost-Parfüm retten und wollte dafür keine Agentur aus dem Westen haben. Wir fragten nur: Ja, was heißt denn das, Full-Service? Er sagte nur, wir kriegen 8000 DM im Monat und betreuen ihn eben Full-Service. Unsere Antwort lautete nüchtern: Joa, machen wir! Daraufhin sind wir in den nächsten Bücherladen gerannt und haben geschaut, was Full-Service überhaupt bedeutet.
Das war der Startschuss unserer Agentur, die sich ja dann sehr gut entwickelt hat.
Wie kam es zu dem Entschluss die Werbekarriere zu beenden?
Irgendwann war es dann auch genug mit Schokoladen- und Bierwerbung. Ich habe 14 Jahre lang diese Agentur aufgebaut, es war wirklich eine spannende Zeit und zum Schluss waren wir sogar 30 Leute. Jedoch merkte ich, dass es mich langweilt und ich nicht mehr mit Leidenschaft dahinter stehen kann. Jetzt heißt die Agentur nur noch „Mackat“, da ich meine Anteile verkauft habe.
Wann und wie entwickelte sich die Idee zu tape.tv?
Die Idee dazu entwickelte sich bereits, als ich noch in der Agentur tätig war.
Im Sommer 2007 habe ich gemerkt, dass ich schwer frustriert bin. Entweder eine Midlife Crisis oder Depression. Ich musste einfach irgendwas Neues machen!
Stephanie Renner, die zehn Jahre lang bei mir gearbeitet hat und ich, haben uns dann am Wochenende manchmal ausgeklinkt und uns einfach gefragt, was wir spannend fänden und was wir machen könnten.
Wir wussten, das Internet würde sich verändern. Vom Such-Internet zum Kommunikationsnetz und jetzt auch zum Entertainment-Internet. Fernsehen wird sich neu erfinden, die Gene des Fernsehens jedoch: „Ich bin faul und glotze“, werden bleiben. Das wollte ich unbedingt kombinieren. Zum einen, weil ich das Internet unheimlich spannend finde und zum anderen, weil ich einfach gerne fernsehe. Nur leider kommt nur nie das, was ich sehen will. Mein Fernseher hier ist nicht mal angeschlossen.
Die Kernidee von tape.tv ist also: Wir erfinden das Fernsehen neu! Wir nehmen Musik, denn da hat jeder einen unterschiedlichen Geschmack und auf MTV oder VIVA kann man sich ja sowieso nicht mehr verlassen. Schließlich will man doch verschiedene Musik zu unterschiedlichen Stimmungen und Tages- oder Nachtzeiten hören. Wir wollten aber auch nicht wie last.fm beispielsweise, nur auf Basis von Ähnlichkeiten ein personalisiertes Entertainment anbieten, sondern noch einen Schritt weiter gehen.
Was macht tape.tv so speziell?
Die redaktionelle Hand ist der entscheidende Unterschied. Der Hebel zwischen einem Portal, in dem du dir Musikvideos anschauen kannst und dir Playlists bauen kannst oder jemand baut sie für dich und dir selbst. Noch ein Vorteil ist, dass mit einer redaktionellen Hand wir stärker da hinkommen, dass deine Musik dich findet.
Es gibt ja auch diesen Hauptstream der erscheint, wenn man die Seite öffnet. Dort werden immer die neuesten Videos gespielt. Zusätzlich kann man noch sehen, welche redaktionellen Beiträge es sonst noch gibt. Zum Beispiel Interviews. Da haben wir ein Format, welches „Sechs Kurze, sechs Fragen“ heißt. Das bedeutet, wir gehen mit den Künstlern in eine Kneipe und vor jeder Frage trinken wir einen Schnaps. Das ist wirklich lustig! Oder wir haben auch Konzerte, bei denen wir mit den Künstlern auf irgendwelche Hausdächer klettern; das sind dann Akustik-Konzerte. Dabei sind auch wirklich tolle Sachen entstanden.
Wir hatten sogar kürzlich erst eine Live-Sendung, wo wir verschiedene Künstler vorgestellt haben. Wir fangen langsam an, wirklich ein Hauptprogramm zu bauen.
Warum ist das Büro von tape.tv ausgerechnet in Weißensee?
Erstens kostet Weißensee ein Drittel von Mitte. Außerdem hatte ich natürlich auch einen Businessplan für tape und konnte gleich abschätzen, dass wir bis 2014 ungefähr 100 Mitarbeiter haben werden und dafür braucht man natürlich sehr viel Platz. Mittlerweile haben wir schon 800 Quadratmeter angemietet.
Zweitens kotzt mich dieses Latte Macchiato-Saufen, keinen Parkplatz kriegen, wir sind alle so hip in Mitte, einfach an. Erst wollte ich nach Neukölln, musste dann aber feststellen, dass ich eben doch ein Ossi bin.
Bei Immobilien Scout habe ich nach Loft-ähnlichen Gebäuden geschaut und eben das in Weißensee gefunden. Schon als ich das Haus sah, fühlte ich mich sofort wohl.
Sag uns noch kurz etwas zu dem tollen Fahrradobjekt an Deiner Wand?
Das ist von Raul! Kann ich nur empfehlen. Raul Walch. Also, Raul hat auf einem Feld Leute interviewt, Erntehelfer und gefragt: Warum macht ihr das eigentlich? Dann meinte einer davon, er brauche Geld, um sich ein Fahrrad zu kaufen. Raul hat dann mit Obstkisten, die er zerbrochen hat, die Träume von den Leuten getackert. Das ist die Grundidee von dieser Serie, die er gebaut hat. Er hat auch einen Porsche 911er gebaut und die Beifahrer-Innentür habe sogar ich getackert. Das ist mein bester Freund, deshalb kenne ich Raul.
Und zum Schluss noch, was sind deine top fünf Videos generell?
The Pharcyde – Drop
Coldplay – Strawberry swing
Ok Go – This too shall pass (RGM Vision)
Marteria – Endboss
Massive Attack – Protection
Für Conrad Fritzsch ist das Internet nicht nur unglaublich spannend, sondern auch die Zukunft. Mit tape.tv hat er das Fernsehen neu erfunden und sich der schnellen digitalen Entwicklung angepasst. An neuen Ideen mangelt es ihm nicht, sodass man sicher sein kann, auch in nächster Zeit noch von Conrad Fritzsch zu hören. Er beweist, dass es tatsächlich Menschen gibt, die ihre Träume erfolgreich verfolgen. Bei ihm muss man fast schon hoffen, ihm würde langweilig werden. Wenn bei jedem Mal eine so tolle Idee dabei rausspringt.
Interview: Deana Mrkaja
Fotos: Ailine LiefeldDu bist in Berlin geboren, hast in Potsdam studiert. Wolltest du nie weg von hier?
Berlin ist sehr multikulturell, aber nicht so stark wie New York oder London. Ich habe jedoch sehr früh angefangen zu arbeiten. Das heißt, ich habe studiert und bereits mit 23 eine Werbeagentur gegründet. Ich bin zwar irgendwie dort reingerutscht, dennoch war ich von da an quasi selbstständig; mit 24 hatte ich schon drei Angestellte. Dank dem Turbo: Wende!
Aber es gibt eine Sache, worüber ich mich ärgere. Ich hätte mal ein Jahr ins Ausland gehen sollen. Es geht mir gar nicht um eine andere Stadt; in Deutschland kann ich mir sowieso nichts Anderes als Berlin vorstellen. Aber mal so ein Jahr in Asien, so wirklich tief einatmen in eine andere Kultur. Das würde mich interessieren. Mit der Expansion von tape.tv in verschiedene Länder, besteht eventuell die Chance mal länger in einer anderen Stadt zu arbeiten und zu leben.
Ich habe zwar schon wirklich viel von der Welt gesehen, aber das ist immer nur sehr oberflächlich. Genau genommen hatte ich in meinem Leben auch nie länger als drei Wochen am Stück Urlaub.
Sagen wir es so: Ich wollte schon immer aus Berlin weg, aber auch trotzdem hier wohnen bleiben!
Bei Dir zu Hause steht direkt am Eingang ein Surfbrett. Was bedeutet surfen für Dich?
In der sechsten Klasse habe ich mir mal ein Skateboard gewünscht von meiner Oma. Dann habe ich von Karstadt ein Calypso Board bekommen, ein Plastikboard mit roten Rädern. Das lustige war, ich bin immer verkehrt herum gefahren. Ich wusste ja nicht, wie man es richtig macht. Irgendwann, das war dann nach der Wiedervereinigung, meinte einer zu mir: Sag mal, was machst du da eigentlich? Erst da habe ich gelernt, dass man bei dem Board vorne stehen muss.
Im Osten konnte man zwar Windsurfen oder auch Brettsegeln genannt. 1997/98 bin ich dann aber mit einem Kumpel in die Karibik. Dort hat mich ein Surflehrer dazu gebracht, morgens um halb sechs mitzugehen, um zu surfen. Ich war einfach begeistert davon. Das Meer ist für mich sowieso unglaublich faszinierend. Ich setze mich da manchmal einfach hin und fang sogar an mit dem Meer zu reden und stell mir vor, dass das Meer überall auf der Welt ist. Mir gefällt es, dass man beim Surfen nicht nur etwas auf dem Meer, sondern mit diesem macht.
Leider war ich schon zwei Jahre nicht mehr surfen, wegen tape.tv. Davor stand ich aber jedes Jahr mindestens einmal auf dem Brett. Ein paar Mal war ich in Frankreich, dann auch in Spanien und Portugal.
Kannst du Berlin mit New York vergleichen?
Ein sehr guter Freund von mir hat 15 Jahre lang in New York gelebt und er sagte, in Berlin könne man sich so schön ausruhen. Hier sei es einfach so ruhig, verglichen zu New York. Dieser Druck dort ist schrecklich. Die Leute drücken dir schon beim Handschlag ihre Visitenkarte in die Hand und du musst immer an irgendwelchen äußerst wichtigen Projekten arbeiten; man definiert sich quasi nur über seinen Output und nicht über die inneren Werte. Das ist hier anders! Auch wenn die Berliner natürlich immer viel quatschen, aber im Endeffekt nichts machen und auch ziemliche Kotzbrocken sein können. Trotzdem bleibt Berlin einfach als Stadt geil zum Leben! Die Wohnung hier könnte ich mir doch niemals leisten in New York oder sonst wo.
Du hast Regie an der HFF in Potsdam studiert, jedoch schon mit 23 Jahren deine eigene Werbeagentur gegründet. Wie passt das zusammen?
Ich wollte eigentlich Tierarzt werden. Väterlicherseits sind bei mir alle Ärzte und mein Vater selbst ist auch Tierarzt. Leider habe ich aber eine Tierhaarallergie entwickelt. Was natürlich nicht gerade förderlich war. Ach ja, Koch wollte ich auch mal werden. Aber das hat ja im Osten alles nicht so einfach funktioniert.
Aus dem Studienführer der DDR, was übrigens ein relativ dünnes Heftchen war, sollte ich mir was aussuchen. Von den vierzig Seiten aus denen das Heft bestand, waren im Grunde genommen 38 für mich irrelevant: Metallbau, Fachverarbeitung… Das war ich nicht wirklich. Auf einer Doppelseite war dann: Schauspiel, Regie, Kameramann etc. Damals wusste ich nicht genau, ob ich lieber Regie oder Schauspiel machen sollte. Ich wollte auf jeden Fall etwas Künstlerisches tun. Zum einen kommt meine Mutter auch aus diesem Bereich, zum anderen war es eine Chance dem Osten zu entkommen. Als guter Regisseur oder Schauspieler konntest du also auch mal den Osten verlassen, ohne dass deine Eltern sofort verhaftet wurden. Ich habe sowohl die Schauspiel- als auch die Regieaufnahmeprüfung gemacht und auch beide bestanden. Der Schauspieldozent hat mir damals jedoch bei einem Bier geraten, lieber Regie zu machen, da die Chance damit was zu erreichen, größer seien.
Wie hats du dort die Wende erlebt?
Lothar Bisky war damals Direktor an der Schule und als ich begann zu studieren, kam direkt die Wende. Diese starke Veränderung, die wir damals erlebt haben, mit uns selbst, mit dem Staat, spielte in Babelsberg keine Rolle. Wir sind ins Studio gegangen und haben Schienenfahrten mit der Kamera geübt. Ich dachte mir nur: Leute, da draußen verändert sich gerade die Welt. Können wir das nicht einfließen lassen in unsere Arbeit? Und die meinten nur: Nein, wir üben hier jetzt das Handwerk.
Ich habe mir dann immer andere Jobs gesucht, beim Fernsehen zum Beispiel. Ich wollte alles begreifen, was in der Welt vor sich ging. Zu dem war ich auch der Jüngste in der Klasse mit 18; die anderen waren teilweise schon Ende 20. Irgendwann habe ich dann gemerkt, Regie in diesem Sinne, ist nichts für mich.
Was hat Dich dann in die Werbung getrieben?
Ich habe einfach angefangen sämtliche Firmen anzurufen und sie zu fragen, ob ich nicht einen Werbespot für sie drehen soll. 30 Sekunden lang eine Geschichte zu erzählen, fand ich spannend. Zusammen mit meinem Kumpel Alex Mackat haben wir dann bei Spreequelle angerufen und gefragt, ob wir nicht einen Spot für „Club Cola“ drehen sollen. Das ist die alte Ost-Cola. Die fanden unsere Idee so toll, dass sie sie tatsächlich produziert haben. Das war dann der erste Spot für ein Ostprodukt. Deshalb war das alles sofort in den Tagesthemen, wir hatten sogar eine Doppelseite im SPIEGEL.
Das war wirklich verrückt! Wir wurden überall hin eingeladen, plötzlich wurden wir zu den Ost-Verstehern.
Kurze Zeit darauf kam ein Typ von Berlin Cosmetics auf uns zu und fragte, ob wir ihn nicht „Full-Service“ betreuen könnten. Ein wirklich cooler Marketing-Typ, der „DuschDas“ zum Beispiel erfunden hat. Er sollte wohl irgendwelches Ost-Parfüm retten und wollte dafür keine Agentur aus dem Westen haben. Wir fragten nur: Ja, was heißt denn das, Full-Service? Er sagte nur, wir kriegen 8000 DM im Monat und betreuen ihn eben Full-Service. Unsere Antwort lautete nüchtern: Joa, machen wir! Daraufhin sind wir in den nächsten Bücherladen gerannt und haben geschaut, was Full-Service überhaupt bedeutet.
Das war der Startschuss unserer Agentur, die sich ja dann sehr gut entwickelt hat.
Wie kam es zu dem Entschluss die Werbekarriere zu beenden?
Irgendwann war es dann auch genug mit Schokoladen- und Bierwerbung. Ich habe 14 Jahre lang diese Agentur aufgebaut, es war wirklich eine spannende Zeit und zum Schluss waren wir sogar 30 Leute. Jedoch merkte ich, dass es mich langweilt und ich nicht mehr mit Leidenschaft dahinter stehen kann. Jetzt heißt die Agentur nur noch „Mackat“, da ich meine Anteile verkauft habe.
Wann und wie entwickelte sich die Idee zu tape.tv?
Die Idee dazu entwickelte sich bereits, als ich noch in der Agentur tätig war.
Im Sommer 2007 habe ich gemerkt, dass ich schwer frustriert bin. Entweder eine Midlife Crisis oder Depression. Ich musste einfach irgendwas Neues machen!
Stephanie Renner, die zehn Jahre lang bei mir gearbeitet hat und ich, haben uns dann am Wochenende manchmal ausgeklinkt und uns einfach gefragt, was wir spannend fänden und was wir machen könnten.
Wir wussten, das Internet würde sich verändern. Vom Such-Internet zum Kommunikationsnetz und jetzt auch zum Entertainment-Internet. Fernsehen wird sich neu erfinden, die Gene des Fernsehens jedoch: „Ich bin faul und glotze“, werden bleiben. Das wollte ich unbedingt kombinieren. Zum einen, weil ich das Internet unheimlich spannend finde und zum anderen, weil ich einfach gerne fernsehe. Nur leider kommt nur nie das, was ich sehen will. Mein Fernseher hier ist nicht mal angeschlossen.
Die Kernidee von tape.tv ist also: Wir erfinden das Fernsehen neu! Wir nehmen Musik, denn da hat jeder einen unterschiedlichen Geschmack und auf MTV oder VIVA kann man sich ja sowieso nicht mehr verlassen. Schließlich will man doch verschiedene Musik zu unterschiedlichen Stimmungen und Tages- oder Nachtzeiten hören. Wir wollten aber auch nicht wie last.fm beispielsweise, nur auf Basis von Ähnlichkeiten ein personalisiertes Entertainment anbieten, sondern noch einen Schritt weiter gehen.
Was macht tape.tv so speziell?
Die redaktionelle Hand ist der entscheidende Unterschied. Der Hebel zwischen einem Portal, in dem du dir Musikvideos anschauen kannst und dir Playlists bauen kannst oder jemand baut sie für dich und dir selbst. Noch ein Vorteil ist, dass mit einer redaktionellen Hand wir stärker da hinkommen, dass deine Musik dich findet.
Es gibt ja auch diesen Hauptstream der erscheint, wenn man die Seite öffnet. Dort werden immer die neuesten Videos gespielt. Zusätzlich kann man noch sehen, welche redaktionellen Beiträge es sonst noch gibt. Zum Beispiel Interviews. Da haben wir ein Format, welches „Sechs Kurze, sechs Fragen“ heißt. Das bedeutet, wir gehen mit den Künstlern in eine Kneipe und vor jeder Frage trinken wir einen Schnaps. Das ist wirklich lustig! Oder wir haben auch Konzerte, bei denen wir mit den Künstlern auf irgendwelche Hausdächer klettern; das sind dann Akustik-Konzerte. Dabei sind auch wirklich tolle Sachen entstanden.
Wir hatten sogar kürzlich erst eine Live-Sendung, wo wir verschiedene Künstler vorgestellt haben. Wir fangen langsam an, wirklich ein Hauptprogramm zu bauen.
Warum ist das Büro von tape.tv ausgerechnet in Weißensee?
Erstens kostet Weißensee ein Drittel von Mitte. Außerdem hatte ich natürlich auch einen Businessplan für tape und konnte gleich abschätzen, dass wir bis 2014 ungefähr 100 Mitarbeiter haben werden und dafür braucht man natürlich sehr viel Platz. Mittlerweile haben wir schon 800 Quadratmeter angemietet.
Zweitens kotzt mich dieses Latte Macchiato-Saufen, keinen Parkplatz kriegen, wir sind alle so hip in Mitte, einfach an. Erst wollte ich nach Neukölln, musste dann aber feststellen, dass ich eben doch ein Ossi bin.
Bei Immobilien Scout habe ich nach Loft-ähnlichen Gebäuden geschaut und eben das in Weißensee gefunden. Schon als ich das Haus sah, fühlte ich mich sofort wohl.
Sag uns noch kurz etwas zu dem tollen Fahrradobjekt an Deiner Wand?
Das ist von Raul! Kann ich nur empfehlen. Raul Walch. Also, Raul hat auf einem Feld Leute interviewt, Erntehelfer und gefragt: Warum macht ihr das eigentlich? Dann meinte einer davon, er brauche Geld, um sich ein Fahrrad zu kaufen. Raul hat dann mit Obstkisten, die er zerbrochen hat, die Träume von den Leuten getackert. Das ist die Grundidee von dieser Serie, die er gebaut hat. Er hat auch einen Porsche 911er gebaut und die Beifahrer-Innentür habe sogar ich getackert. Das ist mein bester Freund, deshalb kenne ich Raul.
Und zum Schluss noch, was sind deine top fünf Videos generell?
The Pharcyde – Drop
Coldplay – Strawberry swing
Ok Go – This too shall pass (RGM Vision)
Marteria – Endboss
Massive Attack – Protection
Für Conrad Fritzsch ist das Internet nicht nur unglaublich spannend, sondern auch die Zukunft. Mit tape.tv hat er das Fernsehen neu erfunden und sich der schnellen digitalen Entwicklung angepasst. An neuen Ideen mangelt es ihm nicht, sodass man sicher sein kann, auch in nächster Zeit noch von Conrad Fritzsch zu hören. Er beweist, dass es tatsächlich Menschen gibt, die ihre Träume erfolgreich verfolgen. Bei ihm muss man fast schon hoffen, ihm würde langweilig werden. Wenn bei jedem Mal eine so tolle Idee dabei rausspringt.
Interview: Deana Mrkaja
Fotos: Ailine Liefeld
Du bist in Berlin geboren, hast in Potsdam studiert. Wolltest du nie weg von hier?
Berlin ist sehr multikulturell, aber nicht so stark wie New York oder London. Ich habe jedoch sehr früh angefangen zu arbeiten. Das heißt, ich habe studiert und bereits mit 23 eine Werbeagentur gegründet. Ich bin zwar irgendwie dort reingerutscht, dennoch war ich von da an quasi selbstständig; mit 24 hatte ich schon drei Angestellte. Dank dem Turbo: Wende!
Aber es gibt eine Sache, worüber ich mich ärgere. Ich hätte mal ein Jahr ins Ausland gehen sollen. Es geht mir gar nicht um eine andere Stadt; in Deutschland kann ich mir sowieso nichts Anderes als Berlin vorstellen. Aber mal so ein Jahr in Asien, so wirklich tief einatmen in eine andere Kultur. Das würde mich interessieren. Mit der Expansion von tape.tv in verschiedene Länder, besteht eventuell die Chance mal länger in einer anderen Stadt zu arbeiten und zu leben.
Ich habe zwar schon wirklich viel von der Welt gesehen, aber das ist immer nur sehr oberflächlich. Genau genommen hatte ich in meinem Leben auch nie länger als drei Wochen am Stück Urlaub.
Sagen wir es so: Ich wollte schon immer aus Berlin weg, aber auch trotzdem hier wohnen bleiben!
Bei Dir zu Hause steht direkt am Eingang ein Surfbrett. Was bedeutet surfen für Dich?
In der sechsten Klasse habe ich mir mal ein Skateboard gewünscht von meiner Oma. Dann habe ich von Karstadt ein Calypso Board bekommen, ein Plastikboard mit roten Rädern. Das lustige war, ich bin immer verkehrt herum gefahren. Ich wusste ja nicht, wie man es richtig macht. Irgendwann, das war dann nach der Wiedervereinigung, meinte einer zu mir: Sag mal, was machst du da eigentlich? Erst da habe ich gelernt, dass man bei dem Board vorne stehen muss.
Im Osten konnte man zwar Windsurfen oder auch Brettsegeln genannt. 1997/98 bin ich dann aber mit einem Kumpel in die Karibik. Dort hat mich ein Surflehrer dazu gebracht, morgens um halb sechs mitzugehen, um zu surfen. Ich war einfach begeistert davon. Das Meer ist für mich sowieso unglaublich faszinierend. Ich setze mich da manchmal einfach hin und fang sogar an mit dem Meer zu reden und stell mir vor, dass das Meer überall auf der Welt ist. Mir gefällt es, dass man beim Surfen nicht nur etwas auf dem Meer, sondern mit diesem macht.
Leider war ich schon zwei Jahre nicht mehr surfen, wegen tape.tv. Davor stand ich aber jedes Jahr mindestens einmal auf dem Brett. Ein paar Mal war ich in Frankreich, dann auch in Spanien und Portugal.
Kannst du Berlin mit New York vergleichen?
Ein sehr guter Freund von mir hat 15 Jahre lang in New York gelebt und er sagte, in Berlin könne man sich so schön ausruhen. Hier sei es einfach so ruhig, verglichen zu New York. Dieser Druck dort ist schrecklich. Die Leute drücken dir schon beim Handschlag ihre Visitenkarte in die Hand und du musst immer an irgendwelchen äußerst wichtigen Projekten arbeiten; man definiert sich quasi nur über seinen Output und nicht über die inneren Werte. Das ist hier anders! Auch wenn die Berliner natürlich immer viel quatschen, aber im Endeffekt nichts machen und auch ziemliche Kotzbrocken sein können. Trotzdem bleibt Berlin einfach als Stadt geil zum Leben! Die Wohnung hier könnte ich mir doch niemals leisten in New York oder sonst wo.
Du hast Regie an der HFF in Potsdam studiert, jedoch schon mit 23 Jahren deine eigene Werbeagentur gegründet. Wie passt das zusammen?
Ich wollte eigentlich Tierarzt werden. Väterlicherseits sind bei mir alle Ärzte und mein Vater selbst ist auch Tierarzt. Leider habe ich aber eine Tierhaarallergie entwickelt. Was natürlich nicht gerade förderlich war. Ach ja, Koch wollte ich auch mal werden. Aber das hat ja im Osten alles nicht so einfach funktioniert.
Aus dem Studienführer der DDR, was übrigens ein relativ dünnes Heftchen war, sollte ich mir was aussuchen. Von den vierzig Seiten aus denen das Heft bestand, waren im Grunde genommen 38 für mich irrelevant: Metallbau, Fachverarbeitung… Das war ich nicht wirklich. Auf einer Doppelseite war dann: Schauspiel, Regie, Kameramann etc. Damals wusste ich nicht genau, ob ich lieber Regie oder Schauspiel machen sollte. Ich wollte auf jeden Fall etwas Künstlerisches tun. Zum einen kommt meine Mutter auch aus diesem Bereich, zum anderen war es eine Chance dem Osten zu entkommen. Als guter Regisseur oder Schauspieler konntest du also auch mal den Osten verlassen, ohne dass deine Eltern sofort verhaftet wurden. Ich habe sowohl die Schauspiel- als auch die Regieaufnahmeprüfung gemacht und auch beide bestanden. Der Schauspieldozent hat mir damals jedoch bei einem Bier geraten, lieber Regie zu machen, da die Chance damit was zu erreichen, größer seien.
Wie hats du dort die Wende erlebt?
Lothar Bisky war damals Direktor an der Schule und als ich begann zu studieren, kam direkt die Wende. Diese starke Veränderung, die wir damals erlebt haben, mit uns selbst, mit dem Staat, spielte in Babelsberg keine Rolle. Wir sind ins Studio gegangen und haben Schienenfahrten mit der Kamera geübt. Ich dachte mir nur: Leute, da draußen verändert sich gerade die Welt. Können wir das nicht einfließen lassen in unsere Arbeit? Und die meinten nur: Nein, wir üben hier jetzt das Handwerk.
Ich habe mir dann immer andere Jobs gesucht, beim Fernsehen zum Beispiel. Ich wollte alles begreifen, was in der Welt vor sich ging. Zu dem war ich auch der Jüngste in der Klasse mit 18; die anderen waren teilweise schon Ende 20. Irgendwann habe ich dann gemerkt, Regie in diesem Sinne, ist nichts für mich.
Was hat Dich dann in die Werbung getrieben?
Ich habe einfach angefangen sämtliche Firmen anzurufen und sie zu fragen, ob ich nicht einen Werbespot für sie drehen soll. 30 Sekunden lang eine Geschichte zu erzählen, fand ich spannend. Zusammen mit meinem Kumpel Alex Mackat haben wir dann bei Spreequelle angerufen und gefragt, ob wir nicht einen Spot für „Club Cola“ drehen sollen. Das ist die alte Ost-Cola. Die fanden unsere Idee so toll, dass sie sie tatsächlich produziert haben. Das war dann der erste Spot für ein Ostprodukt. Deshalb war das alles sofort in den Tagesthemen, wir hatten sogar eine Doppelseite im SPIEGEL.
Das war wirklich verrückt! Wir wurden überall hin eingeladen, plötzlich wurden wir zu den Ost-Verstehern.
Kurze Zeit darauf kam ein Typ von Berlin Cosmetics auf uns zu und fragte, ob wir ihn nicht „Full-Service“ betreuen könnten. Ein wirklich cooler Marketing-Typ, der „DuschDas“ zum Beispiel erfunden hat. Er sollte wohl irgendwelches Ost-Parfüm retten und wollte dafür keine Agentur aus dem Westen haben. Wir fragten nur: Ja, was heißt denn das, Full-Service? Er sagte nur, wir kriegen 8000 DM im Monat und betreuen ihn eben Full-Service. Unsere Antwort lautete nüchtern: Joa, machen wir! Daraufhin sind wir in den nächsten Bücherladen gerannt und haben geschaut, was Full-Service überhaupt bedeutet.
Das war der Startschuss unserer Agentur, die sich ja dann sehr gut entwickelt hat.
Wie kam es zu dem Entschluss die Werbekarriere zu beenden?
Irgendwann war es dann auch genug mit Schokoladen- und Bierwerbung. Ich habe 14 Jahre lang diese Agentur aufgebaut, es war wirklich eine spannende Zeit und zum Schluss waren wir sogar 30 Leute. Jedoch merkte ich, dass es mich langweilt und ich nicht mehr mit Leidenschaft dahinter stehen kann. Jetzt heißt die Agentur nur noch „Mackat“, da ich meine Anteile verkauft habe.
Wann und wie entwickelte sich die Idee zu tape.tv?
Die Idee dazu entwickelte sich bereits, als ich noch in der Agentur tätig war.
Im Sommer 2007 habe ich gemerkt, dass ich schwer frustriert bin. Entweder eine Midlife Crisis oder Depression. Ich musste einfach irgendwas Neues machen!
Stephanie Renner, die zehn Jahre lang bei mir gearbeitet hat und ich, haben uns dann am Wochenende manchmal ausgeklinkt und uns einfach gefragt, was wir spannend fänden und was wir machen könnten.
Wir wussten, das Internet würde sich verändern. Vom Such-Internet zum Kommunikationsnetz und jetzt auch zum Entertainment-Internet. Fernsehen wird sich neu erfinden, die Gene des Fernsehens jedoch: „Ich bin faul und glotze“, werden bleiben. Das wollte ich unbedingt kombinieren. Zum einen, weil ich das Internet unheimlich spannend finde und zum anderen, weil ich einfach gerne fernsehe. Nur leider kommt nur nie das, was ich sehen will. Mein Fernseher hier ist nicht mal angeschlossen.
Die Kernidee von tape.tv ist also: Wir erfinden das Fernsehen neu! Wir nehmen Musik, denn da hat jeder einen unterschiedlichen Geschmack und auf MTV oder VIVA kann man sich ja sowieso nicht mehr verlassen. Schließlich will man doch verschiedene Musik zu unterschiedlichen Stimmungen und Tages- oder Nachtzeiten hören. Wir wollten aber auch nicht wie last.fm beispielsweise, nur auf Basis von Ähnlichkeiten ein personalisiertes Entertainment anbieten, sondern noch einen Schritt weiter gehen.
Was macht tape.tv so speziell?
Die redaktionelle Hand ist der entscheidende Unterschied. Der Hebel zwischen einem Portal, in dem du dir Musikvideos anschauen kannst und dir Playlists bauen kannst oder jemand baut sie für dich und dir selbst. Noch ein Vorteil ist, dass mit einer redaktionellen Hand wir stärker da hinkommen, dass deine Musik dich findet.
Es gibt ja auch diesen Hauptstream der erscheint, wenn man die Seite öffnet. Dort werden immer die neuesten Videos gespielt. Zusätzlich kann man noch sehen, welche redaktionellen Beiträge es sonst noch gibt. Zum Beispiel Interviews. Da haben wir ein Format, welches „Sechs Kurze, sechs Fragen“ heißt. Das bedeutet, wir gehen mit den Künstlern in eine Kneipe und vor jeder Frage trinken wir einen Schnaps. Das ist wirklich lustig! Oder wir haben auch Konzerte, bei denen wir mit den Künstlern auf irgendwelche Hausdächer klettern; das sind dann Akustik-Konzerte. Dabei sind auch wirklich tolle Sachen entstanden.
Wir hatten sogar kürzlich erst eine Live-Sendung, wo wir verschiedene Künstler vorgestellt haben. Wir fangen langsam an, wirklich ein Hauptprogramm zu bauen.
Warum ist das Büro von tape.tv ausgerechnet in Weißensee?
Erstens kostet Weißensee ein Drittel von Mitte. Außerdem hatte ich natürlich auch einen Businessplan für tape und konnte gleich abschätzen, dass wir bis 2014 ungefähr 100 Mitarbeiter haben werden und dafür braucht man natürlich sehr viel Platz. Mittlerweile haben wir schon 800 Quadratmeter angemietet.
Zweitens kotzt mich dieses Latte Macchiato-Saufen, keinen Parkplatz kriegen, wir sind alle so hip in Mitte, einfach an. Erst wollte ich nach Neukölln, musste dann aber feststellen, dass ich eben doch ein Ossi bin.
Bei Immobilien Scout habe ich nach Loft-ähnlichen Gebäuden geschaut und eben das in Weißensee gefunden. Schon als ich das Haus sah, fühlte ich mich sofort wohl.
Sag uns noch kurz etwas zu dem tollen Fahrradobjekt an Deiner Wand?
Das ist von Raul! Kann ich nur empfehlen. Raul Walch. Also, Raul hat auf einem Feld Leute interviewt, Erntehelfer und gefragt: Warum macht ihr das eigentlich? Dann meinte einer davon, er brauche Geld, um sich ein Fahrrad zu kaufen. Raul hat dann mit Obstkisten, die er zerbrochen hat, die Träume von den Leuten getackert. Das ist die Grundidee von dieser Serie, die er gebaut hat. Er hat auch einen Porsche 911er gebaut und die Beifahrer-Innentür habe sogar ich getackert. Das ist mein bester Freund, deshalb kenne ich Raul.
Und zum Schluss noch, was sind deine top fünf Videos generell?
The Pharcyde – Drop
Coldplay – Strawberry swing
Ok Go – This too shall pass (RGM Vision)
Marteria – Endboss
Massive Attack – Protection
Für Conrad Fritzsch ist das Internet nicht nur unglaublich spannend, sondern auch die Zukunft. Mit tape.tv hat er das Fernsehen neu erfunden und sich der schnellen digitalen Entwicklung angepasst. An neuen Ideen mangelt es ihm nicht, sodass man sicher sein kann, auch in nächster Zeit noch von Conrad Fritzsch zu hören. Er beweist, dass es tatsächlich Menschen gibt, die ihre Träume erfolgreich verfolgen. Bei ihm muss man fast schon hoffen, ihm würde langweilig werden. Wenn bei jedem Mal eine so tolle Idee dabei rausspringt.
Interview: Deana Mrkaja
Fotos: Ailine Liefeld